Hansi Baumgartner
Der Gedanke an gewalttätige Auseinandersetzungen kommt einemso gar nicht in den Sinn, wenn man Hansi Baumgartner trifft. Einen freundlichenMann mittleren Alters (Jahrgang 1961), ausgestattet mit einem verschmitztemBubenlächeln, das sympathisch Falten um die Augen des energiegeladenen Südtirolerswirft. Dabei verpackt er eines seiner bekanntesten Produkte in einer ArtCamouflage und hat er für einen wichtigen Teil seiner Firma ein martialischesGebäude aus dem Zeit des Faschismus unter Mussolini gewählt – allerdings nutzter es zweckentfremdet oder, besser gesagt, friedlicher und sinnvoller. In einemBunker, knapp zehn Kilometer vom Hauptsitz seines Unternehmens Degust entfernt,lagert Käse. Im konstant feucht-kühlen Klima des in einen Berg hinein gebauten Beton-Gebildesfühlen sich Laibe aller Couleur und Größe in diversen Räumen auf Brettern undin alten Fässern im Heu wohl und können perfekt reifen.
Erziehungsberechtigter in Sachen Käse
Hansi Baumgartner stammt aus Vahrn bei Brixen im Südtiroler Eisacktal und istKäse-Affineur. In diesem Bereich ist er ein Pionier in seiner Heimat. EinAffineur ist ein Spezialist der Käseveredelung. Jemand, der immer auf der Suchenach dem besten Grundprodukt von ihm selektierter Produzenten ist. Da ist kein Platz für faule Kompromisse: BeiDegust stammen die Käse vornehmlich von handwerklich arbeitenden, kleinenSennereien sowie Hofkäsereien und sind aus Rohmilch hergestellt. Wie die Kuhlebte und was sie fraß, schmeckt man am Ende; so sieht der Ernährungsplanausnahmslos Silo freies, hofeigenes Futter vor und für den Sommer istein Almaufenthalt vorgesehen. Von welchem Hof genau der Käse stammt, weist gewissenhaftdas Etikett aus.
Ein Affineur steigert die Qualität der Käse, indem er siebis zum optimalen Zeitpunkt pflegt, – wie ein Baby gelegentlich in den Armnimmt und wäscht und sonst in Ruhe reifen lässt. Denn Reife bedeutet Aroma inder Nase und auf der Zunge. Ein Affineur kann die Käse nicht nur auswählen und aufihrem Weg zum Erwachsenwerden unterstützend begleiten, sondern sie nach seinemGusto auch noch formen. Die Möglichkeiten sind überraschend vielfältig, undBaumgartner bedient sich bei der Hälfte seiner 250 Sorten beim Veredeln nebender Selektion und Reife traditioneller Methoden, die seit jeher für Haltbarkeitsorgen und Geschmack und Textur fördern. Dazu gehören die Lagerung in Heu oderWeintrester und das Verpacken in Pflanzenblätter oder Ummanteln mit einerAscheschicht. So glänzen in der Produktion die blanken Edelstahltische, dasRadio dudelt vor sich hin und die Käsefachkräfte zelebrieren beinahe insorgfältiger und liebevoller Handarbeit das Bürsten und Einpacken der Laibe.Ein Schleifchen drum, ein informativer Aufkleber und schon kann es zu denKäseliebhabern gehen.
Erlaubt ist, wasschmeckt
Bei einzelnen und dazu geeigneten Käsen beschreitet Baumgartner innovativeWege und gibt den Käsen neue Geschmacksrichtungen. Entscheidet ein Käseexperte wieHansi Baumgartner sich für diesen Weg, ist Kreativität gefragt. Dabei hilft ehemaligenSternekoch, der für seine Milchprodukt-Passion die Kochjacke einst an den Nagelhängte, sein kulinarisches Vorleben. Er weiß genau, wie er geschmacklich undtechnisch die Gratwanderung angehen muss, einem Käse beim Aromatisieren nicht deneigenen Charakter zu nehmen und dabei doch neue Geschmackserlebnisse zukreieren. Da wird ein normannischer Camembert halbiert, mit intensiver Pistaziencrèmebestrichen und wieder zugeklappt, ein Weichkäse aus der Lombardei erhält seinebesondere Note durch eine Schicht Erdmandel und der Algunder Käse erfreut sichsaisonal Terlaner Spargels. Andere Käse lagern in Heu und Weintrester. Dasschmeckt grandios: immer produktnah und natürlich, überhaupt nicht künstlichoder süßlich parfümiert. Jeder Gedanke an austauschbare Supermarkt-Ware liegtfern.