Graziano Cugusi
Weshalb Landflucht keineswegs ein neuzeitliches Phänomen ist, kann man gut anhand der Toskana erklären. Bis Anfang der siebziger Jahre war dort noch die Naturalpacht - die Mezzadria - sehr verbreitet. Deren Prinzip bestand darin, dass die meist in den Städten lebenden Landeigner Ihre Gehöfte und Ländereien unterverpachteten. Der Pachtzins bestand zur Hälfte aus dem Ernteertrag. Weite Teile der Toskana entwickelten sich rasch zu einer prosperierenden Agrarlandschaft, in der Oliven, Wein, Getreide, Gemüse und Vieh wie aus einem Füllhorn wuchsen.
Die Zeichen der Zeit änderten sich mit Beginn der sechziger Jahre. Industrialisierung und Fortschritt machten die Stadt als Lebens- und Arbeitsraum attraktiv und viele „mezzadrini“ verließen das Land und suchten dort ein besseres Auskommen. Mit ihnen wanderte freilich auch das Wissen um die bestmögliche Kultivierung des Bodens ab. Das Land versteppte zunehmend, Bauernhöfe verfielen und immer mehr Dörfer verwaisten.
C'era una volta - Es war einmal.
In dieser Zeit entdeckten reisehungrige großstadtmüde Deutsche die Region als Versinnbildlichung ihres Italienbildes. Die eher liebliche Landschaft, das sonnige Klima und das leichte Lebensgefühl (des Urlaubers) schien ihnen das Paradies auf Erden. Für kleines Geld ließ sich damals Grundbesitz erwerben und zur trostspendenden Glücksoase ausbauen. Joschka Fischer hat es einmal so zusammengefasst: „Die Toskana funktioniert nach unseren (deutschen) Maßstäben und ist dennoch Italien.“
Im Schatten dieser frühzeitlichen Gentrifizierung machten sich aber auch sardische Bauern auf, um hier ihr Glück zu finden. Sie kamen mit Kind und Kegel und allem, was ihren kargen Besitz ausmachte. Meist gehörten ein paar Schafe dazu. Aus deren Milch stellten sie ganz traditionell einen Käse namens Pecorino her, der hier eine zweite Heimat finden sollte.